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Heimat und Geschichte

 

„Sehen Sie,“ sagte Marnach, „mit der Heimat ist es wie mit den Jahresringen eines Baumes:
Der erste Ring, das sind die Eltern, die Geschwister, das Haus in dem man lebt, der Garten, die Straße.
Der zweite Ring, das sind die Tanten, die Großtanten, Vettern, Cousinen, Onkel, die Nachbarschaft, die Schule, die Freunde, der Verein, die Kirche, das Dorf, das Viertel in dem man wohnt.
Der dritte Ring ist die Region, aus der du kommst, in der man den Klang deiner Sprache kennt, das Rheinland, das seinen Kindern häufiger als anderswo ein frohes Herz und ein leichtes Tanzfüsschen mit auf den Weg gibt, die Eifel, die etwas freigiebiger ist mit Bedächtigkeit und das Venn mit Schwermut.
Der nächste Ring ist das Land mit seinen Gebräuchen und Traditionen, mit all seiner Geschichte, mit seinen dunkelsten  und  seinen glanzvollsten Taten, mit seinen Bauwerken, seiner Musik, seiner Kunst, seiner Philosophie, seiner Wissenschaft.
Der letzte Ring ist jener wundervolle Kontinent Europa, jener vielfältige Körper, der geprägt ist von einer gemeinsamen Kultur und gemeinsamer Geschichte."

Nach einem Moment der Stille fuhr er fort: 
"Und sehen Sie - so wie ein Baum ein Organismus ist, in dem die inneren Schichten zwar härter und dauerhafter sind als die äußeren, so bestimmen sie doch alle das Wesen des Baumes. Und ähnlich ist es auch mit den Menschen, denn sie sind beheimatet in den unterschiedlichen Schichten und diese charakterisieren sie in unverwechselbarer Weise. 

B.M.

 

Kupfermeister , Kupferhöfe und Messing

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Bei dem damals üblichen und einzig möglichen Verfahren zur Herstellung von Messing, einer aus Kupfer und Zink bestehenden Legierung, blieb das Zink völlig unsichtbar und entzog sich jeglicher Anschauung. Wahrnehmbar war lediglich eine intensive, goldähnliche Verfärbung des Kupfers. Der als Zinkträger in diesem Prozess involvierte Galmei wurde auch nicht als Erz erkannt, sondern als eine Art Färbemittel angesehen. Da man also im Messinggewerbe nach damaliger Anschauung gefärbtes Kupfer herstellte und das Endprodukt Messing in der Umgangssprache ebenfalls schlicht und einfach als Kupfer (oder Gelbkupfer) bezeichnet wurde, nannte man die Messingproduzenten folgerichtig Kupfermeister und ihre Wohn- bzw. Betriebsstätten Kupferhöfe. Auch der für Stolberg übliche Beiname „Kupferstadt“ ist vor diesem Hintergrund zu sehen, denn in Stolberg und Umgebung ist nie Kupfererz gefördert oder Kupfer verhüttet worden. Das zur Messingherstellung erforderliche Kupfer musste aus anderen Regionen „importiert“ werden. Auf Grund der zur Messingherstellung erforderlichen Mengenverhältnisse der Einsatzstoffe (2 Teile Galmei, 1 Teil Kupfer) war das Messinggewerbe aus logistischen Gründen auf Regionen beschränkt, wo (wie in Stolberg) Galmei als natürliche Ressource zur Verfügung stand. Spätestens im 18. Jh. wurden die Messingmärkte von den Stolberger Kupfermeistern fast monopolartig beherrscht. Produktbezeichnungen und Handelsnamen wie Afrika-Pfanne, Guinea-Kessel, Lissabonner Pfanne etc. zeugen von der internationalen Ausrichtung der einstigen Handelsverbindungen. Insbesondere die um die Wende zum 18. Jh. erbauten, repräsentativen Kupferhöfe lassen auch heute noch das Selbstbewusstsein der wirtschaftlich äußerst erfolgreichen Kupfermeister erkennen.

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Rekonstruktion historischer Klimata

Methoden und Quellen

Thumbnail imageAbb.11

 

Die Klimatologie verfügt über eine Vielzahl von Methode und Quellen, um Aussagen über das Klima vergangener Epochen zu machen. Sie sind von unterschiedlicher Genauigkeit und Zuverlässigkeit.

Eine Auswahl:

Physikalische Methoden:

Die direkte Messung von Klimadaten begann 1611 mit der Erfindung des Flüssigkeitsthermometers durch Galilei.

Klimabestimmung mit Hilfe von Eisbohrkernen

Bestimmung des Isotopenverhältnisses von Sauerstoff in Eisbohrkernen aus arktischem oder/und Gletschereis (siehe Abb.1) OR: Römerzeitliches Optimum; PV: Pessimum der Völkerwanderungszeit; MO: Mittelalterliches Optimum; KE: Kleine Eiszeit

Prinzip: Der Sauerstoff der Luft besteht aus unterschiedlich schweren Atomen, die man als Sauerstoffisotope bezeichnet. Im Eis befindet sich gelöster Sauerstoff. In Kaltzeiten wird mehr Sauerstoff mit der Masse 16u in das Eis eingelagert als in Warmzeiten. In einem geeigneten Messgerät (Massenspektrometer) kann man das Verhältnis der unterschiedlich schweren Sauerstoffisotope - Sauerstoff mit der Masse 16u und Sauerstoff mit der Masse 18u - in einer Eisprobe bestimmen.

Man sieht, dass die Optima und Pessima im obigen Diagramm mit den im Klimadiagramm gezeigten übereinstimmen.

Beobachtungen:

Gemälde von Gletschern und geomorphologische Spuren der Gletscheraktivität (Kratzspuren, Findlinge, Moränen) geben Auskunft über die Ausdehnung des Gletschers. Gletscher dehnen sich in kalten niederschlagsreichen Epochen aus.

Spuren von Küstenlinien geben Auskunft über die Höhe des Meeresspiegels und dadurch indirekt über das Volumen des Landeises.

Dendrochronologie

Das Prinzip besteht darin, dass die Jahresringe von Bäumen in günstigen Jahren einen großen Zuwachs zeigen.

Auswertung alter Chroniken:

Häufung von Sturmfluten

Zufrieren von Seen und Flüssen, Pegelstände von Flüssen

z.B. Jahre, in denen der Bodensee (Seegefrön) zufror2

 

Jahr   Jahr
875; 895   1408; 1435; 1444; 1461; 1465;
1469; 1477; 14,91
928;   1514; 1527; 1551; 1563; 1565; 1571; 1573; 1583;
1074; 1076   1600; 1608; 1660; 1684; 1685; 1695;
1108   1709; 1718; 1740; 1755; 1763; 1789; 1799;
1217; 1277   1830; 1880; 1894;
1323; 1325; 1378    

 

Wetterbeobachtungen

Dazu ein Kuriosum: „Die Aufzeichnungen des Abtes Mauritius Knauer aus Mittelfranken aus den Jahren 1652 bis 1658 haben geschäftstüchtige Leute als Hundertjährigen Kalender missbraucht, mit der Unterstellung, dass der Witterungsablauf, der dort über sieben Jahre lang festgehalten wurde, sich genau in der gleichen Art über Jahrhunderte hinweg im Siebenjahresrythmus ständig wiederholen würde und dann noch für ganz Deutschland repräsentativ sei.“ 3 Trotz des Unsinns wird der Hundertjährige Kalender auch heute noch verbreitet und verkauft.

Aussagen zur Phänologie

(Blühbeginn bestimmter Arten, Fruchtreife, Laubverfärbung)

Angaben zum Weinbau

Die Rebe braucht warme Sommer und milde Winter. Sie reagiert äußerst empfindlich auf Frost. Am besten sind Jahresmitteltemperaturen zwischen 11 und 12 Grad bei einer Wachstumszeit von mindestens 230 Tagen.4

 

Reiseberichte

z.B.Sage von der Kolonisierung Grönland durch die Wikinger um 900 n.Ch.

 


 

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1) W.Zäck, Schnee von gestern; S.132

2) R.Gläser; Klimageschichte Mitteleuropas; 1000 Jahre Wetter und Klima; Primusverlag 2001; S.49

3) Ch.-D.Schönwiese; Klima im Wandel; S.34

4) W.Zäck;Schnee von gestern; S.147

Das niedere Schulwesen in Frankreich

 

 Bis zur Revolution (1789) war das Elementarschulwesen in Frankreich auf dem Lande  wie in Deutschland in den Händen der Kirche. In den Gemeinden führte der Pfarrer die Aufsicht über die Schulen. Wie in Deutschland hatte der Lehrer zusätzliche kirchliche Verpflichtungen.

Durch die Revolution änderte sich der Status von Schule und Lehrer. Die Schulen wurden dem Staat unterstellt und die Lehrer zu Funktionären des Staates. An die Stelle der religiösen Erziehung trat die Erziehung zum Citoyen.
Unter der Herrschaft des Direktoriums (1795) kam es zu einer Spaltung im Schulsystem. Zum einem bildete sich ein anspruchsvolles staatliches System für die Kinder der wohlhabenden "neuen Bourgeoisie und Bürokratie", während das öffentliche Elementarschulwesen mehr und mehr privaten und lokalen Initiativen überlassen wurde.1)
Mit Beginn des Konsulats (1799) zog sich der Staat endgültig aus der Finanzierung der Primarschulen, wie in Frankreich die Elementarschulen hießen, zurück. Wie zur Zeit vor der Revolution wurden wieder Ordensgesellschaften und Gemeinden für den Unterricht an den Primärschulen, die auch die Schulen der Armen waren, zuständig. Nach dem Konkordat (1801), das Napoleon mit dem Papst Pius VII. abschloss, wurde dort die katholische Religion wieder zum Hauptunterrichtsgegenstand.2)



Die Franzosenzeit im Rheinland (1794 - 1814)

In den ersten Jahren nach dem Einmarsch der Franzosen in die linksrheinischen Gebiete herrschte Stillstand auf schulischen Gebiet. Die Reformbemühungen aus der Endphase des Alten Reiches kamen zum Erliegen.
Ein neuer Aufbruch setzte 1798 ein. Eine Verordnung gliederte das Bildungssystem wie in Frankreich in Primär-, Sekundär- und Zentralschulen. Im gleichen Jahr wurde die Errichtung von Unterrichtsjurys beschlossen. Deren Hauptaufgabe war zu prüfen, ob die Lehrer u.a. ausreichend Französische lesen und schreiben konnten. An dieser Forderung scheiterten die meisten Kandidaten.
"Bei allen durchgeführten Prüfungen ging es letztlich um die Verbreitung der französischen Sprache, denn die Französisierung des linksrheinischen Gebietes  war vorrangiges Anliegen der französischen Regierung."3) 
1802 überließ der Staat die Primär- und Sekundärschulen der lokalen Verwaltung und privaten Initiativen. Die Lehrerwahl und die Festsetzung des Lehrergehaltes, das die Eltern durch das Schulgeld aufbringen mußten,  war Angelegenheit der Bürgermeister und Gemeinderäte. In der Folge sank vielerorts das Einkommen der Lehrer. Die Situation der landlehrer beschreibt folgendes Zitat:

"...Der schlechteste Bursche sieht sich als Wohltäter des Lehrers an, der von ihm durch 6 Stüber monatlich ein Gnadengeschenkt erhalte. Gesorgt sei für den Unterhalt des Nachtwächters, des Armenjägers und Viehhirten, nur nicht für den Lehrer."4)

Die in republikanischer Zeit angestrebte Trennung von Lehrertätigkeit und Küsteramt wurde wieder aufgegeben, um den Lehrern ein wenigstens lebenssicherndes Einkommen zu sichern.
Ebenso wurde die aus dieser Zeit stammende Religionsfeindlichkeit  durch Napoleon zurück genommen und die erzieherischen Möglichkeiten der Kirche wurden wieder genutzt.

"Das napoleonische Frankreich schuf auf dem Gebiet der Lehrerbildung nichts Vorbildliches. Deshalb lebte im Rheinland die Idee von Normalschule und Lehrerseminar weiter."5)

Exemplarisch für den Werdegang eines Landlehrers ist aus dieser Zeit ist die Biografie des Schulmeisters Johannes Huppertz (*1782, +1866) aus Konzen.
Huppertz besuchte vom 8. bis zum 16. Jahr im Winter die Dorfschule in Konzen, arbeitete zwischen dem 17. und 24. Jahr in der väterlichen Landwirtschaft.
Mit 24 Jahren wurde ihm der Unterricht in der Konzener Dorfschule übertragen (ca 1806). Er hatte sich bis dahin selbständig fortgebildet und konnte geläufig lesen, mit ganzen und gebrochenen Zahlen rechnen und dürftig schreiben. 1808 übernahm er die Schule in Imgenbroich.
Er nahm Unterricht in Latein und Französisch beim Vikar von Konzen und dem Pfarrer von Imgenbroich. Diese Unternehmungen gab er jedoch bald auf. Er hatte sich im Französischen soweit fortgebildet, dass der Schulkommissar, Abbe Ranc, aus Lüttich eine provisorische Anstellung in Höfen als Lehrer und Küster erlaubte (1811).6)
Wie man sieht, war auch zu dieser Zeit noch keine sonderliche Ausbildung für´s Schulehalten notwendig oder vorgeschrieben. 

In Summe:

"So stand das Schulwesen in französischer Zeit schlechter da als vorher. ... Es fehlte nicht nur an Geld, sondern auch am nötigen Interesse. ...Weiterhin brachte die Bevölkerung dem Beruf des Lehrers nur wenig Ansehen entgegen. Zwar hatte die Verstaatlichung des Schulwesens den Lehrer zu einem Bediensteten des Staates gemancht, doch blieb er in der Praxis Diener der Schul- und Kirchengemeinde."7)



Die regionale Situation der Primärschulen am Ende der Franzosenzeit - 1814

Nach dem Abzug der Franzosen wurden im August des Jahres 1814 von der preußischen Verwaltung ein Fragebogen zur Erhebung von Schuldaten im Generalgouvernement verschickt. Die folgende Auswahl aus den für den den Kanton Montjoie gemachten Angaben sind bemerkenswert 8):

Die Stadt Monschau - ein Beispiel für den häufig zu beobachtenden Unterschied zwischen katholischen und protestantischen Elementarschulen - zählte im Jahre 1814
3084 Einwohner (2669 Katholiken, 415 Protestanten)
Kinder 6-14 Jahren (425 Katholiken, 66 Protestanten)
Primärschulen:1. katholische , 1 protestantische
In die katholische gingen regelmäßig nur 60 Kinder (50 Jungen, 10 Mädchen)
Der katholische Lehrer, geprüft durch einen Lehrer der hiesigen Sekundärschule, hatte ein Einkommen von 180 Franken plus Schulgeld, welches unter der Summe von 180 Franken blieb.
Er unterrichtete Deutsch, Französisch und Rechnen.
Der protestantische Lehrer, geprüft von mehreren Behörden, unterrichtete Lesen, Schreiben, Tafel- und Kopfrechnen, Religion, Orthographie, Geographie, Zeichnen, Naturlehre.
Er verdiente 560 Franken plus Schulgeld, wofür die finanzkräftige monschauer Unternehmerschaft sorgte.
Die Besoldung des Lehrers an der Sekundärschule betrug ca.900 Franken.

In Dedenborn, Rauchenauel, Seifenauel und Pleushütte gab es weder Schule noch Unterricht.

In Eicherscheid unterrichtete der Bäcker und Küster 150 Kinder. Er war ohne jede Prüfung von der Gemeinde berufen worden. Gehalt 120 Franken.

In Höfen unterrichtete der oben erwähnte Johann Huppertz. Von den 150 Kindern besuchte nur die Hälfte im Winter die Schule. In Sommer sank die Zahl unter 20. Huppertz bekam von der Gemeinde kein festes Gehalt sondern nur das Schulgeld, das sich auf 160 Franken belief. Für den Kirchendienst erhielt er 150 Franken.
In Kalterherberg (200 schulfähige Kinder) unterrichtete seit über 50 Jahren Johann Zorn, hochgeschätzt, der „aber altershalber nicht sehr gefürchtet ist“.

In Imgenbroich unterrichtete ein Weber, in Konzen ein Küster und Schreiner, in Mützenich ein Ackerer und ein 14 jähriger.

In Kesternich (137 schulfähige Kinder) keine Schule. In den Wintermonaten Unterricht durch den Vikar.

In Lammersdorf, Zweifall Mulartshütte keine Primärschule. Man bediente sich „des gemeinen auf dem Land gebräuchlichen Unterrichts“, den der Küster erteilte. In Lammersdorf war das seit 1813 Johann Victor.

In Roetgen (150 schulfähige katholische und 111 protestantische Kinder) gab es keinen öffentlichen Unterricht für die katholischen Kinder, für die protestantischen gab es einen Lehrer.

In Simmerath gab es eine Privatschule des Küsters und eine öffentliche Primärschule. In den zu Simmerath gehörenden Ortschaften wurde der Unterricht im Winter von „befähig befundenen Dorfbewohnern erteilt.

 

Fazit:
Das war also die Lehrerschaft der Elementarschulen. Es gab keine verbindliche Ausbildung. Prüfungen der Qualifikation steckten in den Anfängen. Die wirtschaftliche Lage war nach wie vor unbefriedigend, so dass die Lehrer auf dem Lande i.d.R. auf ein Zuverdienst als Küster, Organist oder Gemeindesekretär angewiesen waren. Wegen der oftmals geringen Qualifikation und der Armut der Lehrer war ihr öffentliches Ansehen gering.  
Noch 1814 konnte J. Görres, damaliger Direktor des Schulwesens am Mittelrhein, sagen:

"In der Regel ist der Schweinehirt eine weit geehrtere Person im Dorf als der Schullehrer, und er wird für glücklich gehalten, wenn er beyde Stellen miteinander verbinden kann"9)


1) Harten, Hans-Christian; Das niedere Schulwesen in Frankreich am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert; s.41; aus: Das niedere Schulwesen im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert; Hg. Albrecht, Peter und Hinrichs, Ernst; Niemeyer
2) ebenda, S.43
3) Wynands, Dieter P.J.; Die Herausbildung des Lehrerstandes im Rheinland während des 19. Jh.;S.32
4) unbekannter Autor (1800), zitiert nach Wynands, ebenda, s.34
5) Wynands, ebenda S.35
6) Entwurf zu einem Curriculum vitae eines Elementarlehrers, Selbstbiographie des Lehrers Johannes Huppertz in:Der Eremit am Hohen Venn, Jg.2 S.101 f.
7) Wynands, ebenda S.36
8) Richter,A.; Das Schulwesen im Kanton Monschau Am Ende der französischen Herrschaft;Teil 1 und 2 in: Der Eremit am Hohen Venn, Jg.3, 1927/28
9) Ohlert, Konrad, Das Volksschulwesen S.2, in: "Die Rheinprovinz, 1815-1915" 100 Jahre preußische Herrschaft am Rhein; 
http://booksnow1.scholarsportal.info/ebooks/oca5/37/dierheinprovinz02hansuoft/dierheinprovinz02hansuoft.pdf

Ein Elementarschullehrer im 18. Jahrhundert

Die Schulsituation im durch kleinere und größere Herrschaftsgebiete zersplitterten Raum der Eifel und angrenzender Gebiete zeigt im 18.Jh. Schulen mit gymnasialem Niveau, vor allem in Städten, und solche, die mitunter den Namen Schule kaum verdienten,  vor allem auf dem Land. Zwischen diesen Formen gab es gleitende Übergänge. Daneben gab es in nicht geringer Zahl Orte, in denen keine regelmäßige Schule abgehalten wurde.

Versetzen wir uns sich in Gedanken in ein ländlich geprägtes Eifeldorf zu Beginn dieses 18.Jh. In diesem für die Region typischen Dorf mit seiner seit Jahrhunderten fest gefügten bäuerlich-handwerklichen Sozialstruktur wäre man vielleicht Ackerer, Handwerker, Tagelöhner, Wollspinnerin, vielleicht ein durchreisender Kesselflicker oder ähnliches gewesen.
Die Lebensperspektiven wären von ihren Möglichkeiten im Dorf bestimmt und begrenzt. Alles was man als Kind zum Ausfüllen seiner Rolle hätten lernen müssen, wäre einem durch das Beispiel der Erwachsenen im täglichen Tun beigebracht worden.
Der Wunsch nach Schulbildung, nach einfachsten Kulturtechniken, wie Lesen, Schreiben, Rechnen war unter diesen sozial-ständischen Bedingungen gering entwickelt.
So war zum einen die gesellschaftliche Situation und die gesellschaftlichen Erwartungen ein relevanter Aspekt in der Schulentwicklung. Ein weiterer Aspekt resultierte aus der Entwicklung des niederen Schulwesens1), das sich seit der Reformation und Gegenreformation2) im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet hatte. Auf dem Lande lag es seit Beginn in den Händen der Kirche. Kirchliche und religiöse Ansprüche bestimmten daher die wesentlichen Anforderungen an den Lehrstoff.

 

Dies zeigt ein Bericht aus einem nicht näher benannten Eifeldorf aus der ersten Hälfte des 18.Jh. 


Der Schulmeister dieses Dorfes war gestorben.Die Dorfgemeinschaft hat sich in der Kirche versammelt, um aus 5 Interessenten den nächsten Lehrer auszuwählen. Unter den Prüflingen war Martin Ott, 30 Jahre alt, von Beruf Schuster, Jacob Maehl, 50 Jahre alt, von Beruf Weber, Philipp Hopp, 60 Jahre alt, von Beruf Schneider, Johann Schütt, 50 Jahre, von Beruf Kesselflicker und Friedrich Loth, 45 Jahre, ehemaliger Unteroffizier.
 
Das Urteil über die Prüfung des später gewählten Jacob Maehl lautete:

 "Jacob Maehl, Weber, hat die 50 Jahre hinter sich, hat gesungen: O Mensch beweine. Zeuch ein zu deinen Toren. Wer nur den lieben Gott läßt walten, - Melodie ging ab in viele anderen Lieder, Stimme sollte stärker sein, quieckte mehrmalen, so doch nit sein muß. Gelesen Jousua 18, 26-29 ohne Fehler. Dreierlei Handschriften gelesen, schwach und mit stocken. Drey Fragen aus dem verstand. Hierin gab er Genugthuungh. Aus dem Katechismo die 10 Gebote und die 41. Frage aufgesagt, ohne Fehler, dictando drey Reihen geschieben - 5 Fehler; des Rechnens ist er nit kundig.“

 Zum Ergebnis der Prüfung heißt es:

 "Es wurde nun einstimmig davon gehalten, daß Jacob Maehl wohl der capabelste. wogegen den anderen, namentlich dem Kesselflicker nit zu trauen seye, sintemalen er viel durch die Lande streiche, dagegen der Kriegsknecht wohl die Fuchtel gegent die armen Kindlein zu stark zu gebrauchen in Verdacht stehe...."3)

In der ersten Hälfte des 18.Jh. wirkte in Lammersdorf als geistlicher Rektor Franz Fedder (1708-1749), von dem der Chronist ca 100 Jahre später schrieb:

"Der Jugend widmete Fedder besondere Aufmerksamkeit; er erkannte die Wichtigkeit der Jugendbildung vor vielen seiner Amtsgenossen. .... Der Unterricht bestand im Lesen, Schreiben, Rechnen und Gesang; den größeren Kindern gab er in den Abendstunden Unterricht über Ackerwirthschaft."
 Er schreibt weiter:
"Es lag nicht im Geist der Zeit, und es fehlten besonders hier in der Zeit an Mittel , eine Schule mit einem besoldeten Schulmeister, Magister, einzurichten…“4)

Das Schulehalten war auf dem Lande, wenn es denn überhaupt stattfand, eine Nebentätigkeit der Pfarrer, Küster oder anderer Personen, die sich dadurch ein Zubrot sicherten. Lehrpläne gab es nicht. Die einzige Vorgabe, ohne jede methodische Reflexion, war Gesang, Lesen und Schreiben und keineswegs immer Rechnen.

 


Die Lehrerschaft

Zu Ende des 18.Jh. stellt sich die Lehrerschaft im Wesentlichen wie folgt dar.

An Stadtschulen im kath. Rheinland unterrichteten i.d.R. Schulvikare.  Das waren Kleriker, die über eine gewisse, wenn auch nicht pädagogische, Ausbildung verfügten.

Die Lehrerschaft der Elementarschulen rekrutierte sich
a) aus Absolventen von Gymnasien oder Lateinschulen, 
b) aus der Handwerkerschaft und weiteren pädagogischen Autodidakten, ja es sollen sogar Hirten und Landstreicher dieser Tätigkeit nachgegangen sein.
c) Daneben gab es unter den Schulmeistern die Lese- und Rechenmeister. Diese waren eine gewisse Zeit bei einem erfahrenen Lehrer in die "Lehre" gegangen und verfügten somit über eine gewisse Fachausbildung.5) 


 

Die wirtschaftliche Situation der Elementarlehrer

Die wirtschaftliche Situation der Lehrer, insbesondere derer auf dem Land, war völlig unbefriedigend.
Im Kurkölnischen erhielt ein Lehrer, der regelmäßig 27 - 55 Schüler unterrichtete 70 bis 100 Reichstaler, davon lediglich 40 als garantiertes Fixum. Nach einer Bonner Landmeisterrechnung von 1788/1789 erhielten Beamte, die überwiegend Schreibarbeit ausführten, etwa Hof- und Hofkammersekretäre, zwischen 204 und 209 Reichstaler. Der Jagdschreiber des Oberjägermeister erhielt 153 Reichstaler, ein Violonist der Hofkapelle zwischen 97 und 260 Reichstaler.6) 
In dem niedrigen Einkommen der Lehrer drückt sich auch die Wertschätzung der damaligen ländlichen Gesellschaft für diesen Beruf aus.
Ein Schneider als LehrerEs war der Regelfall, dass der Schulmeister  einen weiteren Beruf ausüben mußte, um ein Einkommen zu erzielen, das existenzsichernd war. Die Eltern, deren wirtschaftliche Lage  häufig ebenfalls prekär war, mussten den Lehrer durch das Schulgeld bezahlen, das der Lehrer mit ihnen frei aushandelte und das er selbst einziehen mußte. Der Schulbesuch war i.d.R. recht unregelmäßig. Die meisten Eltern auf dem Lande schickten ihre Kinder  sporadisch oder nur im Winter zur Schule, so dass das monatliche Einkommen der Lehrer schwankte. Nicht zuletzt dadurch entstanden Zerwürfnisse und die gelegentlich  entwürdigende Situation, in der der Lehrer als Bittsteller auftreten mußte, um sein Geld zu bekommen.

Teil der Entlohnung waren häufig freie Wohnung und Naturalien, wie ein Stück Land oder ein Garten oder der sogenannte Wandeltisch. Bei letzterem wurde der Lehrer reihum in den Familien, aus denen seine Schüler kamen, beköstigt - und mancher Lehrer wird wohl aus manchem Dorf weg gekocht worden sein. 
Viele Eltern, insbesondere wenn die Dörfer fernab aufkommender Industriezentren lagen, fehlte die Einsicht in die Bedeutung einer schulischen Ausbildung, so dass sie ihre Kinder gar nicht in die Schule schickten.


Reformbemühungen

Zu Ende des Alten Reichs setzten unter dem Einfluß der Aufklärung und der zunehmenden Industrialisierung erste Reformbewegungen ein. Ausgangspunkt dieser Bewegung war einmal die philanthropische Idee, dass der aufgeklärte Staat zum Schulträger werden müsse, um den Menschen zu einem "gemeinnützigen, patriotischen und glückseligen" Leben zu führen.7) Das Konzept zielte auf einen Ablösung kirchlicher Zuständigkeit und einer Etablierung staatlicher Schulaufsicht8) durch Schulkommisionen und Schulinspektoren. Eine weitere Motivlinie geht auf die aufklärerische physiokratische Vorstellung zurück, nach der die Landwirtschaft und die arbeitende Schicht die Basis für staatliche -wirtschaftliche Prosperität darstellt.9) Dieser Gedanke wird bei der Betonung der gartenbaulichen Verpflichtung (Obstbaumzucht) der künftigen Volksschullehrer konkret.
Ein weiterer Motor für eine Modernisierung des Elementarschulwesens erwuchs aus der beginnenden Industrialisierung, an der häufig eine reformierte Unternehmerschaft beteiligt war. So wuchs in Städten, aber auch im ländlichen Umfeld  der Anspruch an die Schule. 
Im Hinblick auf das Elementarschulwesen war es vor allem das Bemühen die pädagogische Qualifikation und die soziale Lage der Lehrer zu verbessern. Für Ersteres war die Einrichtung von Normalschulen, einer Art Musterschulen, die der Fortbildung und Ausbildung der Lehrer dienten, wegweisend. Inhaltlich änderte sich am religiösen Schwerpunkt der Lehrertätigkeit und damit auch der Ausbildung kaum etwas, was auch durch den Stellenwert des Religiösen im Prüfungskatalog von 1887 der Normalschule Koblenz deutlich wird.

Prüfungsanforderungen Normalschule Koblenz 1787 Prüfungskataloge der Normalschule Kpoblenz 1787 Prüfungskatalog der Normalschule Koblenz 1787

 

Die Reformbemühungen endeten im linksrheinischen abrupt nach dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen und der folgenden Etablierung der französischen Verwaltung.

 1) andere Bezeichnungen: Deutsche Schule im Gegensatz zur Lateinschule, Elementarschule, Trivialschule, Volksschule

2) Reformation: ab 1517; Gegenreformation: ab Konzil von Trient 1545
3) nach Hubert Jenniges; Mönche, Frühmesser, Wanderlehrer, Die Entwicklung des Eifeler Schulwesens bis 1825; aus Tafel, Griffel, Rutenstock, 150 Jahre Eifeler Volksschulen; Herausgeber: Arbeitskreis Eifeler Museen; S.20f
4) Math. Mich. Bonn; Gedenkbüchlein für Lammersdorf im Kreise Montjoie oder Sammlung geschichtler Notizen zunächst über die Kirche daselbst; aus "Katholische Pfarrgemeinde Lammersdorf einst und jetzt" Kreitz, Josef und Arens, Herbert, S.14
5) Wynands, Dieter P.J.; Die Herausbildung des Lehrerstandes im Rheinland während des 19. Jh.;S.23
6) Wynands, ebenda S.24f
7) Keck, Rudolph W. Die Armeleutebildung in den Bildungsvorstellungen und Schulplänen der Philanthropen, S.55 erschienen in: Hg. Albrecht, P., Hinrichs, E. Das niedere Schulwesen im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert
8) Rochow 1775; von diesem wurde der Begriff Volksschule geprägt
9) Keck, ebenda S.55

 

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