Der uralte Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus
Schon von alters her waren unsere Vorfahren bestrebt, sich an einem würdigen Ort in stiller Andacht mit ihrem Gebet an Gott wenden zu können.
Weite und beschwerliche Wege nahmen sie in Kauf, um am Gottesdienst teilzunehmen: zuerst über eine lange Zeit bis nach Konzen zur damals noch einzigen Mutterkirche des Monschauer Landes und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts über mehr als 300 Jahre zur Mutterkirche nach Simmerath – bei Wind und Wetter, bei manchmal reißendem und über die Ufer getretenem Kallbach – und das mit Säuglingen zur Taufe, mit Kindern zur Kommunion und mit ihren Toten zur Beerdigung!
Angesichts dieser qualvollen Mühsale, die nicht selten den Kirchgang ganz und gar unmöglich machten, ist die Sehnsucht unserer Altvordern nach einem Gotteshaus am eigenen Wohnort nur zu verständlich.
Nach einem Stiftungsbrief aus dem Jahre 1690 soll in Lammersdorf bereits um das Jahr 1600 eine Kapelle gestanden haben, die aus Holz gezimmert und sehr klein gewesen sei. Sogar ein Geistlicher sei hier seelsorgerisch tätig gewesen.[1]Wann genau die Kapelle errichtet worden ist und wo sie gestanden hat, wissen wir nicht.
Um die Wende zum 18. Jahrhundert zählte der Ort 360 Einwohner, die in 60 Häusern lebten. Die Lammersdorfer fühlten sich nun auch zahlenmäßig und in ihrem Gemeindebewußtsein stark genug, ein eigenes pfarrliches Leben zu beginnen. Längst reichte das kleine Holzkirchlein nicht mehr aus, um allen Gläubigen Platz zu bieten. Außerdem war es schon recht baufällig geworden. So beschloß man, eine Kirche aus Stein zu bauen.
Die Bauarbeiten erstreckten sich – unterbrochen von einer Stockung – über den Zeitraum von 1705 bis 1709. Außerordentlich verdient um den Weiterbau und die Vollendung des Kirchenbaues machte sich Franz Heinrich Fedder, der im Jahre 1708 als geistlicher Rektor in Lammersdorf seine Tätigkeit aufnahm. Unter seiner Leitung ging die Arbeit zügig weiter. Zur Aufbringung der Kosten steuerte jeder wohlhabende Bewohner des Ortes bis zur Vollendung des Baues jährlich einen Rheinthaler (Rthlr.) Clev. 23 Sg. und 1 Pfg. bei. Überdies führten die Lammersdorfer unter sich noch besondere Kollekten durch. Auf diese Weise vermochten sie ohne den Beistand anderer das Mauer- und Dachwerk der Kirche und den Turm zu errichten.
Im Jahre 1709 erfolgte ihre feierliche Einweihung durch Pastor Richartz von der Simmerather Mutterkirche. Als Patron wurde der Heilige Johannes der Täufer auserkoren. Kirchenrechtlich gesehen weist diese Entscheidung auf die weiterbestehende Bindung der Lammersdorfer Kirche an die Mutterkirche in Simmerath hin, die den gleichen Patron hatte.
So, wie das neue Kirchengebäude jetzt dastand, war sein einschiffiges Inneres bis zum Chor 15,8 Meter lang und 7,25 Meter breit. Im Bohlengewölbe erreichte es eine Höhe von 7,90 Metern. Das Mauerwerk war ca. 1 Meter dick und ca. 4,95 Meter hoch. Die Höhe des Turmes betrug im Mauerwerk gut 13 Meter und im Dachstuhl 10,5 Meter. Seine Seiten waren je 4,6 Meter lang. Insgesamt war das Gotteshaus bedeutend kleiner als das heutige.
Zum Zeitpunkt ihrer Einweihung war die Kirche keineswegs komplett. Die finanziell zunächst erschöpfte Gemeinde konnte die noch vorhandenen baulichen Unzulänglichkeiten erst später nach und nach beheben und das noch fehlende Inventar nur schrittweise anschaffen.
Die Lammersdorfer blieben sich dieser Aufgabe bewußt, ihr Eifer für die Vervollkommnung und Verschönerung ihres Gotteshauses erlosch zu keiner Zeit. Lassen wir hierzu einen besonders kompetenten Zeitzeugen zu Wort kommen: Pfarrer Mathias Michael Bonn – hier tätig von 1835 bis 1860 – schrieb in seinem „Gedenkbüchlein für Lammersdorf...“:
Ich muß „bemerken, dass während meines Hierseins außerordentlich viel für die Instandsetzung und Verschönerung der Kirche geschehen ist und dass es nicht möglich gewesen wäre, dieselbe so umzubauen, wie sie jetzt erscheint, wenn nicht ein so guter Sinn im allgemeinen unter meinen Pfarrkindern rege geworden und rege geblieben wäre. Wir mögen abermals sehen, was eine Gemeinde von 166 Haushaltungen, worunter viele Dürftige und wenige Vermögende sind, vermag. In einem Zeitraum von neun Jahren (1836 bis 45) ist eine unglaublich große Summe aus lauter freiwilligen Beiträgen teils zur Verschönerung der Kirche, teils zur Anschaffung kirchlicher Gerätschaften (von)Paramenten und Möbel(n) aufgebracht worden... Freilich, unter den Verhältnissen, die hier vorwalteten, hätte es mir nicht einfallen können, auch das Geringste zur Verschönerung der Kirche in Vorschlag zu bringen, wenn nicht von Seiten einiger meiner Pfarrkinder die Anregung so eindringlich geworden wäre. Bei all dieser Arbeit verdient der Kirchenrendant Josef Dressen von hier rühmliche Erwähnung, unermüdet und unverdrossen war er stets thätiger Mitsorger, außer dem, was er noch beisteuerte.“[2]
Pfarrer Bonn hat in seiner Chronik über 100 Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder namhaft gemacht, die mit Geld- oder Sachspenden und mit vielerlei schönen Ideen zur Gestaltung ihres Gotteshauses beitrugen.
Dank dieser gemeinsamen Anstrengungen wurde die Kirche immer schöner und vertiefte mit Recht den Stolz der Lammersdorfer Katholiken.
Auch von anderer Seite zollte man dem Bauwerk hohe Anerkennung: Dr. Ludwig Mathar beschrieb die Kirche als ein „echtes Vennkirchlein ..., unverputzt, mit Fenstern und Türen aus Hausteinrahmen, mit einem vorgesetzten, fast quadratischen Westturm, der seinen achteckigen Helm trotzig zum Venn emporreckte, mit dem Glockentürmchen auf der Ostseite des beschieferten Satteldaches, das am Ende des 18. Jahrhunderts gen Osten um zwei Joche und den Anbau des neuen Chores verlängert wurde. Das (echte Vennkirchlein) blieb es auch, als es im Jahre 1804 von seiner Pfarre Simmerath unabhängig wurde und sich 1862 um eine Eingangs- und Taufkapelle erweiterte.“ An gleicher Stelle erwähnt Dr. Mathar den prächtigen Hochaltar von 1748, seinen mit reich gezierten Volutenwangen geschmückten Tabernakel, die von Franz Heinrich Fedder eigenhändig geschnitzte Orgelumrahmung, die in der Messingkunst der Dinanterie gefertigten drei Paar barocken Leuchter u.a.m.-[3]
Fast zwei Jahrhunderte hat die am Anfang des 18. Jahrhunderts erbaute Kirche den Gläubigen in Lammersdorf gute Dienste geleistet. Jedoch hatte sich nach zweihundert Jahren die Einwohnerzahl unseres Heimatortes mehr als verdoppelt und war auf rund 650 Einwohner angestiegen. Für die gewachsene Zahl von Gläubigen reichte der Platz in der Kirche bei weitem nicht mehr aus. Ein größeres Gotteshaus erwies sich somit als dringend notwendig.
Das Vorhaben hatte darüber hinaus eine große politische Bedeutung. Aus dem Kulturkampf zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche (1871 – 1887) war Letztere infolge ihres konsequenten Widerstandes als Sieger hervorgegangen. Sie hatte die Beibehaltung ihrer Rechte durchsetzen und ihren Rückhalt in der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht nur behaupten, sondern wesentlich stärken können. Dieser historisch bedeutsame politische Erfolg fand auch in der Bautätigkeit der Kirche seinen Niederschlag. An vielen Orten wuchsen große, architektonisch schöne Kirchen aus dem Boden und reckten ihre Türme stolz gen Himmel.
Von Notizen des seinerzeitigen Lammersdorfer Pfarrers, Dechant Leonard Hubert Jülich, und aus der Schulchronik wissen wir, dass am 18. März 1901 in der alten Kirche das letzte heilige Meßopfer dargebracht wurde. Anschließend ist der Hochaltar abgebaut und im Saale Frings (heute Roeffen-Lüscher), der als Notkirche umgestaltet worden war, wiedererrichtet worden. Das Allerheiligste wurde in feierlicher Prozession unter außergewöhnlich hoher Beteiligung der Gläubigen dorthin getragen. Die Orgel kam auf den Schulspeicher. Einen Beichtstuhl stellte man in einem Klassenraum auf.
Innerhalb von vier Wochen waren die Kirche und das Jansensche Haus Nr. 43 unmittelbar oberhalb der Kirche abgebrochen. Damit stand der Platz für das neue Gotteshaus zur Verfügung
[1] Vgl. Mathias Michael Bonn: Gedenkbüchlein für Lammersdorf... (erschienen 1848), Abdruck in Josef Kreitz, bearbeitet und ergänzt von Herbert Arens: Katholische Pfarrgemeinde Lammersdorf einst und jetzt, Roetgen 1981, S. 8
[2] Ebenda, S. 34
[3] Vgl. Ludwig Mathar: Die Kirchen des Kreises Monschau. Ein Geschichts- und Kulturbild. In: Eremit am Hohen Venn, 25. Jg. (1953), S. 39 f.